Stromanschluss im Abseits
Stromanschluss im Abseits
Stromanschluss im Abseits
Nicht alle Orte auf der Welt sind an ein Stromnetz angeschlossen. In entlegenen oder schwer zugänglichen Gegenden kommen daher meist Dieselgeneratoren zum Einsatz. Off-Grid-Anlagen bieten hier eine zuverlässige, saubere und nachhaltige Alternative.
Gutu ist ein kleines Dorf im Westen Nepals. Umringt von Wald und Bergen, liegt der Ort rund 800 Kilometer von der Hauptstadt Kathmandu entfernt und ist auch sonst ziemlich weit ab vom Schuss. Eigentlich wunderschön dort, geradezu idyllisch. Aber da ist auch noch das andere Gutu. Das der lauten und dreckigen Dieselgeneratoren. Ein nötiges Übel, um das bisschen Infrastruktur mit Strom zu versorgen. Eine Waschmaschine hat man hier nicht. Auch keinen Herd. Nicht mal eine elektrische Lampe. Das bisschen Strom, das man sich hier von der kleinen Solaranlage abzwacken kann, genügt gerade, um das Handy zu laden, um im Notfall Hilfe rufen zu können. Mit Einbruch der Dunkelheit ist der Tag vorbei in Gutu, denn das Dorf ist nicht ans Stromnetz angeschlossen. Und ohne Elektrizität besteht nicht die geringste Chance, dass sich irgendwas im Dorf verbessert. Hier bedeutet abgelegen auch abgehängt sein. Keine schöne Vorstellung, oder?
Mit Einbruch der Dunkelheit ist der Tag vorbei in Gutu.
Zum Glück hat sich doch etwas geändert in Gutu. Im März 2019 wurde in dem unzugänglichen Dorf ein solarbetriebenes Mikronetz installiert. Ein 100-kW-Solarkraftwerk versorgt seither 275 Haushalte, eine Post, Betriebe, Schulen, das Krankenhaus sowie Verwaltungsstellen zuverlässig mit sauberem Strom. Die Anlage wird genossenschaftlich betrieben. Jedes Gebäude ist mit intelligenten Zählern verbunden. Somit ist der Eigenverbrauch für jede Partei transparent. Die Stromversorgung nach Sonnenuntergang ist durch einen Batteriespeicher gesichert, damit Licht und Heizung da sind, wenn sie gebraucht werden.

Foto: © Peak Power
Die zuverlässige Stromversorgung ermöglicht dem Ort wirtschaftliche Entwicklung und bessere Bildungsmöglichkeiten. Endlich funktionieren elektrische Geräte, IT und Kommunikation im Krankenhaus, dem Regierungsgebäude und der Bank einwandfrei. Der Computerraum der Schule kann nun auch endlich in Betrieb genommen werden. Dank elektrischer Maschinen können die Bauern im Ort ihre Ernte schneller und besser verarbeiten. Touristen freuen sich über Hotels mit zuverlässiger Beleuchtung, Warmwasser oder Kabelfernsehen. Es gibt auch neue Jobs, denn das Kraftwerk muss gewartet und das Abrechnungssystem verwaltet werden. Dank AC-Solarstrom muss nicht mehr über dem Feuer gekocht werden und die Dieselgeneratoren sind verstummt. Endlich Ruhe und frische Luft.

Anlagensteckbrief
Standort: Gutu, Gemeinde Chaukune, Bezirk Surkhet
- 308 Solarmodule Trina Solar TSM-325w PC14, am Boden installiert, Südausrichtung
- 12 Batterie-Wechselrichter SMA Sunny Island 8.0H-12
- SMA Multicluster Box 12.3 für die AC-Anbindung
- SMA Data Manager M für die Fernüberwachung
- 2 Solarwechselrichter SMA Sunny Tripower CORE1
- 192 Batterien Sacred Sun VRLA 2000AH gel 2v
- 280 einphasige Zähler
- 3 dreiphasige Zähler
- 7,8 Kilometer dreiphasige, vierpolige Übertragungsleitung
- 119 Strommasten
- Inbetriebnahme: März 2019
Errichtung und Inbetriebnahme:
Peak Power hat das 100-kW-Mikronetz in Zusammenarbeit mit ADB, AEPC und dem lokalen Partner Motherland Energy Group Pvt. Ltd. geplant und gebaut.
Elektrizität spielt eine entscheidende Rolle in nahezu allen Lebensbereichen. Sie macht uns das Leben nicht nur einfacher, sie sorgt auch für mehr Sicherheit, etwa durch gesündere Möglichkeiten der Nahrungszubereitung, bessere Produktions- und Arbeitsbedingungen, funktionstüchtige Krankenhäuser und Schulen. Sie steigert die Lebensqualität und schafft Entwicklungsmöglichkeiten. Für uns in Deutschland ist sie eine Selbstverständlichkeit. So selbstverständlich, dass es katastrophale Folgen hätte, würde unsere Versorgung auch nur für eine Woche ausfallen. Doch vor allem Menschen in abgelegenen Regionen der Welt haben häufig gar keinen oder nur sehr begrenzten Zugang zu Elektrizität. Laut dem Tracking SDG: Energy Progress Report 2020, der zusammen von der Internationalen Energieagentur (IEA), der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA), der UN-Statistikabteilung (UNSD), der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellt wurde, lebten 2018 weltweit 800 Millionen Menschen ohne elektrischen Strom.
Voraussichtlich werden auch 2030 noch 620 Millionen Menschen weltweit ohne Strom leben.
Zwar hat sich bereits einiges getan, denn 2001 waren es laut SDG7-Report noch 1,2 Milliarden, dennoch geht die Elektrifizierung recht langsam voran – 2010 waren es 1,2 Milliarden, 2015 noch eine Milliarde –, was sicherlich damit zu tun hat, dass die betroffenen Regionen sehr abgelegen sind. Vor allem südlich der Sahara zeigen die Statistiken des SDG7-Reports einen eklatanten Mangel auf. Nur 47 Prozent der Gesamtbevölkerung aller Südsahara-Länder haben Zugang zu Elektrizität. Im Tschad sind es beispielsweise gerade mal zwölf Prozent, in Burkina Faso 14 Prozent, in Niger 18 Prozent der Bevölkerung, die Zugang zu Elektrizität haben.
Nachhaltige Off-Grid-Lösungen, wie das Solarkraftwerk in Gutu, könnten die Lösung sein, um auch die Gegenden in afrikanischen Ländern mit Strom zu versorgen, die aufgrund von Abgeschiedenheit oder schwerem Zugang nicht ans Hauptnetz angeschlossen sind. Das Unternehmen 60 Decibles unterstreicht in seinem aktuellen Impact-Report, wie wichtig Off-Grid-Lösungen für die Regionen und Gemeinden sind, in denen sie installiert wurden. Der aktuellen Kundenumfrage zufolge bestätigen 88 Prozent der Nutzer eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität. Klagen gab es hingegen, wenn beispielsweise fehlerhafte Komponenten geliefert und nicht ersetzt wurden oder unseriöse Berater überhöhte Versprechungen machten, was die Leistungsfähigkeit der Systeme betraf. Etwa ein Fünftel der befragten Kunden nutzt die verfügbare Energie, um Einkommen zu generieren, etwa für Restaurants, Ladengeschäfte oder Kioske. Zudem sinkt der Verbrauch an schmutzigen, teuren und gefährlichen Energieträgern. Kunden nutzen beispielsweise elektrisches Licht statt Kerosinlampen, wodurch sie nicht nur 50 bis 80 Prozent weniger Feinstaub ausgesetzt sind, sondern pro Haushalt auch rund eine halbe Tonne CO2 einsparen. Da das elektrische Licht besser ist, lernen Kinder pro Tag etwa 20 Minuten länger. Insgesamt fühlten sich zudem 86 Prozent der Befragten sicherer im eigenen Haus und die Anzahl an feuerbedingten Haushaltsunfällen ging deutlich zurück. Verbesserungsbedarf sieht der Bericht in Sachen Kundenservice und Finanzierung. So berichteten 67 Prozent der Kunden, dass Probleme, die auftraten, nicht gelöst wurden, mehr als 30 Prozent gaben an, dass sie Schwierigkeiten mit den Ratenzahlungen hätten, und teilweise auf Nahrung verzichten, um ihre Kredite zu bedienen. 60 Decibels mahnt hier Verbesserungen an, da die meisten Kunden einkommensschwach seien und sich ihre ohnehin prekäre Situation noch verschärfe, wenn sie sich zu hohe Raten für nicht funktionierende Ausstattung vom Mund absparen müssten.
Für entlegene Regionen in Entwicklungs- und Schwellenländern sind Off-Grid-Anlagen eine gute und wichtige Lösung, sofern sie von seriösen Anbietern stammen. Aber auch in unseren Breitengraden gibt es Orte, für die Inselanlagen eine optimale Lösung darstellen, wie zum Beispiel die Seetalerhütte. Die alpine Schutzhütte liegt auf 2.740 Metern im österreichischen Dachsteingebirge. Sie ist bereits seit 1929 ein beliebtes Wanderziel, wurde mehrfach umgebaut, aber nie ans Stromnetz angeschlossen. Aufgrund des Rückgangs des Permafrostbodens in den vergangenen Jahren war die Hütte absturzgefährdet, weshalb der Alpenverein Österreich einen Neubau plante, der 2018 abgeschlossen war. Zur Energieversorgung verbrauchte die alte Hütte 1.200 Liter Diesel pro Saison. Das war weder umweltfreundlich, noch passte es zum Gedanken der Naturverbundenheit der Wanderer, die die Hütte besuchten.

Auch in unseren Breitengraden gibt es Orte, für die Inselanlagen eine optimale Lösung darstellen.
Die Planer nutzten deshalb die Chance, bei der neuen Hütte Naturschutz, Umwelt, Alpinismus, Tourismus und Sicherheit in Einklang zu bringen. Heute sorgen eine Solaranlage mit Batteriespeicher und ein Rapsöl-Blockheizkraftwerk zuverlässig für erneuerbare Energie auf knapp 3.000 Metern. Einen ausführlicheren Bericht über dieses außergewöhnliche Projekt gibt es hier: https://sonnenallee.sma.de/dezentrale-energie/technisches-meisterwerk/.
Off-Grid-Anlagen sind vielleicht keine Alternative zur flächendeckenden Energieversorgung, doch sie leisten an schwer zugänglichen und entlegenen Orten überall auf der Welt einen wichtigen Beitrag zu höherer Lebensqualität, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Somit sind sie ein wichtiger Bestandteil, um die letzten Versorgungslücken zu schließen und Menschen im Abseits Anschluss zur modernen Welt zu ermöglichen. Laut IRENA versorgen nachhaltige Off-Grid-Lösungen auf dem afrikanischen Kontinent derzeit rund 53 Millionen Menschen, in Asien nutzten rund 76 Millionen Menschen netzunabhängige erneuerbare Stromquellen, Tendenz steigend.