Interview Horx

Ein Gespräch mit Matthias Horx über die „Zeiten mit Corona“ und die Auswirkungen auf die Energiewende
„Die Epidemie beschleunigt grüne Trends“

Ein Gespräch mit Matthias Horx über die „Zeiten mit Corona“ und die Auswirkungen auf die Energiewende.

Text: Mareike Scheffer
Fotos:
Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com)
Foto:
Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com)

Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx ist derzeit wohl gefragt wie nie zuvor. Der 65-Jährige beschäftigt sich bereits seit rund 20 Jahren engagiert, kritisch und oft auch provokativ mit den großen Zusammenhängen, die unsere Zukunft betreffen. Mit seinen Thesen steht er stellvertretend dafür, die derzeitige Krise, die Corona-Pandemie, auch als Chance zu sehen. Wir haben mit ihm über die Chancen für die Energiewende gesprochen und nachgehakt, was für ihn „lustvolle Ökologie“ bedeutet.

Sonnenallee: Können Sie uns Ihren Antrieb, Zukunftsforscher zu werden, beschreiben. Wie kam es dazu?

Matthias Horx: Ich habe schon als Kind immer wissen wollen, was wird. Diese Neugier treibt mich immer noch, und stellt mir immer wieder neue Fragen.

In dieser Zeit ist das ganz besonders nachvollziehbar. Die Menschheit ist in einer Pandemie von nie da gewesenem Ausmaß. Trotz heftiger finanzieller Auswirkungen scheint es, dass Deutschland relativ gut durch diese Pandemie kommen wird. Wie ist ihre Sicht?

Es ist ein bisschen so, wie ich in meinem Text „Die Zukunft nach Corona“ vorausgeahnt habe. Es gibt in dieser Krise auch überraschende Momente, wir haben ja auch eine gesellschaftliche Solidarität erlebt, viele Menschen haben im Lock-in überraschende Erfahrungen mit sich selbst, mit ihren eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten gemacht. Es gibt jetzt etwas Konstruktives in der Gesellschaft, das auch durch ein paar Verschwörungsfanatiker nicht einfach verschwindet.

Sie setzen auch in der aktuellen Situation mit dem Werkzeug der Re-Gnose an. Wo sehen Sie die Vorteile zur Prognose?

Eine Re-Gnose ist eine geistige Technik, in der ich mich selbst in die Zukunft versetze und von da aus zurückschaue. Das macht es möglich, die Ängste zu überwinden, die aus der Prognose entspringen, wenn wir sie in einer Krisensituation machen. Wir machen uns dadurch quasi innerlich wach und schaffen uns sozusagen eine Übersicht über die Wandelungsprozesse, die uns als Person einbeziehen. Mein Verantwortungsverhältnis zur Zukunft wird dadurch geklärt. Es ist wie nach einer Krankheit: In einer Heilung sieht man ja nachher auch wieder die Welt mit anderen Augen. Die Krise kann auch Heilungen bewirken.

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„Ich dachte einfach“
Keine Rückbesinnung, sondern neuer Erfindergeist.

Das hört sich nach Chancen an. Wo liegen Ihrer Ansicht nach die größten Chancen dieser Krise?

Es war ja eine Art „Stopp der Zivilisation“, die aber nicht unbedingt zu einem Zusammenbruch der Zivilisation geführt hat. Wir haben womöglich einiges gelernt über unser Leben, unser Verhältnis zu unseren Mitmenschen, auch zur Technologie. Wir haben gespürt, wo unsere Gesellschaft brüchig ist, aber auch wo sie stabiler ist, als wir denken. Ich glaube, das kann auch zu einem Bewusstseinswandel führen. Wir spüren, wie abhängig wir von unseren Mitmenschen, aber auch von der Funktionsfähigkeit der Politik sind.

Wie schätzen Sie die Chancen für neue Technologien ein?

Viele Menschen haben ja gelernt, mit digitalen Techniken umzugehen, die sie vorher eher ablehnten oder ignorierten. Videokonferenzen etwa. Andererseits haben wir auch die alten analogen Kulturtechniken wieder schätzen gelernt. Telefonieren, Bücherlesen – das hat auch seine Vorteile. Beides zusammen führt womöglich zu einem gesünderen Verhältnis zur Technik.

Glauben Sie, dass sich die Menschen auch auf ein nachhaltigeres Leben zurückbesinnen? Oder werden die meisten so weitermachen wie zuvor oder sogar nachholen, was lange Zeit nicht möglich war?

„Zurückbesinnen“ ist vielleicht das falsche Wort, und „nachhaltig“ halte ich für eine abgenutzte Vokabel. Aber wir könnten erfindungsreicher werden, wenn es um den besseren und richtigeren Umgang mit Umwelt und Technik geht. Wir haben ja gesehen, dass man auch mal eine Zeitlang ohne Flugzeuge leben konnte und nicht gleich daran gestorben ist. Und manche Übertreibungen sind vielleicht in Zukunft nicht mehr so sexy, wie etwa After-Ski-Partys oder Kreuzfahrtschiffe mit 3.000 Passagieren auf engstem Raum. Alles wird etwas luftiger und auch etwas langsamer.

„‚Flattening the Curve‘ kann ja auch für die globale Erwärmung gelten.“

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in Bezug auf den Klimawandel haben?

Ich glaube schon, dass das die Energiewende und bessere Systeme von Kreislaufwirtschaft stärkt. Viele Städte haben ja in der Krise ihre Innenstädte in Richtung auf Fahrradfahrer und Fußgänger umgestaltet, und das wird man auch verteidigen. Infektionen in den Schlachthöfen haben gezeigt, wie problematisch das Tier-Mensch-System ist, wie ja auch das Virus selbst. Wir haben zum ersten Mal einen massiven Rückgang des CO2-Ausstoßes weltweit. „Flattening the Curve“ – die Parole, mit der das Virus begrenzt werden könnte, kann ja auch für die globale Erwärmung gelten. Die Epidemie beschleunigt „grüne Trends“, die auch vorher schon unterwegs waren.

Was bedeutet nachhaltiges Leben für Sie persönlich? Gibt es Dinge in puncto Umweltschutz, die Sie im Alltag umsetzen?

Ich wohne in einem Haus, in dem wir versuchen, mit erneuerbaren Energien und neuen Materialien zurechtzukommen. Ich fahre nur Elektroautos – seit vielen Jahren. Ich habe einen großen Gemüsegarten. Allerdings bin ich kein Anhänger von Verzicht und Buße, sondern von einer lustvollen Ökologie, die auch Technologie nicht verachtet, sondern richtig einsetzt.

Kurzvita Matthias Horx

Autor, Redner und Zukunftsberater

  • Geboren 1955 in Düsseldorf
  • 1998 Gründung des Thinktanks „Zukunftsinstitut“ mit Sitz in Frankfurt am Main und Wien
  • Matthias Horx lebt mit seiner Familie in Österreich